Quoten - eine Frage ökonomischer Weitsicht

Seit 01.01.2018 gibt es auch in Österreich eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten. Nicht nur Männer sehen diese gesetzliche Regelung kritisch, sie wird auch unter Frauen kontrovers diskutiert. Jenseits von Emotionen und Meinungen lässt sich die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme aber sehr wohl durch Fakten belegen.

Einseitigkeit führt langfristig zu Stillstand – das gilt nicht nur in Hinblick auf Körpertraining, sondern auch in Bezug auf die Zusammensetzung von Top-Management und Aufsichtsrat. Dennoch sind Frauen in diesen Gremien nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, in manchen Firmen sogar gar nicht bis kaum vertreten (siehe Grafik). Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 200 umsatzstärksten österreichischen Unternehmen lag 2017 bei 18 Prozent, drei von vier ATX-Unternehmen scheitern an der seit 1. Jänner gesetzlich verankerten Hürde von 30 Prozent. Diese Regelung gilt für alle börsennotierten Unternehmen oder Firmen, die ständig mehr als 1.000 ArbeitnehmerInnen beschäftigen. Wird die Quote nicht erfüllt und ein vakantes Aufsichtsratsmandat dennoch männlich (nach)besetzt, ist die Wahl nichtig und das Mandat bleibt so lange frei, bis es von einer Frau übernommen wird („leerer Stuhl“). Das gilt selbstverständlich auch für den (aktuell eher unwahrscheinlichen) umgekehrten Fall, also der Unterrepräsentation von Männern in einem Aufsichtsrat.

Im EU-Raum nichts Neues

In Norwegen wurde bereits 2008 eine Quote eingeführt, gefolgt von Frankreich, Italien, Spanien, Finnland, den Niederlanden und Deutschland.
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat sich der Frauenanteil in Deutschland ein Jahr nach Einführung des Gesetzes um vier Prozentpunkte auf 27 Prozent erhöht. Allerdings zeigt sich nun, dass die Bestellung von Aufsichtsrätinnen deutlich nachlässt, sobald die vorgeschriebene Quote erfüllt ist. Österreich wird vermutlich eine ähnliche Entwicklung durchlaufen.  

Diversität als wirtschaftliche Notwendigkeit

In zahlreichen Studien (u.a. McKinsey, Ernst & Young, Credit Suisse) zeigt sich, dass Unternehmen mit einem ausgewogenen Anteil von Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat eine deutlich bessere finanzielle Performance aufweisen als ihre weniger genderaffinen Mitbewerber. Ein direkter kausaler Zusammenhang lässt sich zwar nicht ableiten, die Studienergebnisse bieten aber zweifelsohne eine starke Basis für die Befürwortung von Diversität. Das Fehlen von Frauen in Führungsetagen und Kontrollgremien hat nicht nur Auswirkungen im einzelnen Unternehmen, es hemmt auch das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Eine fortschrittliche Volkswirtschaft kann es sich nicht leisten, auf die Hälfte des Fach- und Führungskräfte-Potenzials zu verzichten.

Weg von Quoten, hin zur Normalität

Das Rollenverständnis der Frauen hat sich in den letzten Jahrzehnten gravierend geändert und zu einer Differenzierung der Lebensmodelle geführt. Die Frauenwelten driften auseinander, wohingegen die Männerwelt noch immer eine relativ homogene und gesellschaftlich akzeptierte ist. Der repräsentative Mann sieht sich nach wie vor als Haupternährer in Familie oder Partnerschaft - Teilzeitarbeit, Väterkarenz oder Hausmanndasein sind für die Mehrheit der Männer keine Option. Aus diesem Blickwinkel fördern Männer auch bevorzugt Männer, wenn auch oft nur unterbewusst. Die Konsequenz ist, dass karrierebewusste Frauen im Berufsleben nach wie vor an Strukturen scheitern, die immer noch sehr stark an traditionellen, männlichen Bedürfnissen orientiert sind. Daran wird sich erst etwas ändern, wenn ein markanter Anteil von Frauen in den oberen Führungs- und Kontrollgremien vertreten ist. Genau hier setzt die verbindliche Geschlechterquote an. Sie kann den Zugang von Frauen zu Aufsichtsratspositionen erweitern und damit  deren Einflussmöglichkeiten verbessern. Ohne Umdenken bei Männern und bei Frauen wird es aber immer eine Verpflichtung mit bitterem Beigeschmack bleiben und nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Zu viele Herren aus dem oberen und mittleren Management und zu viele Aufsichtsräte sehen im Einsatz für weibliches Talent eine Marketingmaßnahme und keinen strategischen Erfolgsfaktor. Zu viele bestens qualifizierte Frauen trauen sich derartige Aufgaben nicht zu, betreiben zu wenig Networking oder warten vergeblich darauf entdeckt zu werden. Diejenigen, die es in einen Aufsichtsrat geschafft haben, sind sich häufig ihrer Vorbildwirkung nicht bewusst und bleiben in dieser Rolle dezent im Hintergrund.

Wenn Schlagzeilen wie „Erstmals eine Frau an der Spitze…“ aus den Medien verschwinden, weil sie alltäglich und selbstverständlich geworden sind,  wenn es in Wirtschaft und Politik keine Frauenförderung und keine Quoten mehr braucht, wenn Journalisten erfolgreichen Müttern nicht mehr die Vereinbarkeitsfrage stellen, dann ist Diversität zum gesellschaftlichen Selbstläufer geworden. Spannend wird dann, wie wir Frauen auf diesen Paradigmenwechsel reagieren – wenn nämlich im Umkehrschluss möglicherweise immer mehr Männer beginnen, Wahlfreiheit für sich zu beanspruchen, indem sie sich gesundheitsschädlichem Leistungsdruck entziehen und zulasten ihrer Karriere- und Einkommenskurve mehr Zeit mit Kindern, Hobby oder Weiterbildung verbringen.

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