Klimapolitik & Wirtschaftswachstum: (k)ein Widerspruch

Klimapolitik & Wirtschaftswachstum: (k)ein Widerspruch

Unter diesem Titel hielt ich am 16. Oktober einen Vortrag beim Landtag des BSA Oberösterreich. Und ich nehme mein Ergebnis gleich vorweg - es ist kein Widerspruch!

Wie kann das sein? Seit 50 Jahren reden wir über die „Grenzen des Wachstums“. 1972 veröffentlichten Dennis und Donella Meadows sowie Jørgen Randers ihren einflussreichen Bericht an den Club of Rome. 2022 wird es (wie schon 1992 und 2012) ein Update geben und wenig überraschend zeigen: wir sind immer noch auf dem damals aufgezeigten Weg. Vom „Klima“ im Sinn von Erderhitzung war damals noch nicht die Rede. Auch nicht bei der ebenfalls 1972 abgehaltenen ersten Welt-Umweltkonferenz und wohl auch nicht im ersten österreichischen (Gesundheits- und) Umweltministerium – ebenfalls 1972 ins Leben gerufen und das gleich mit einer sozialdemokratischen Ministerin: Ingrid Leodolter. Aber Umweltprobleme gab es genug – und das Wirtschaftswachstum war schnell als einer ihrer Treiber identifiziert.

Grenzen des Wachstums

Dabei waren die „Grenzen des Wachstums“ eigentlich umgekehrt gemeint: das Wachstum wird zu Ende kommen, gebremst durch einen exponentiellen Anstieg des Ressourcenverbrauchs, dessen Kosten sich letztlich auch negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung selbst auswirken würden. Eine unerhörte Vorhersage nach zwei Nachkriegsjahrzehnten vorher und nachher nie gekannter Wachstumsraten. Die – im Grunde politisch verursachten - „Ölkrisen“ der 1970er Jahre zeigten erstmals, wie abhängig der industrialisierte „Westen“ von den Ressourcen im „globalen Süden“ schon damals war.

Stagnierendes Wachstum

Und es wurde keineswegs besser. Die österreichische Wirtschaft ist seit 15 Jahren praktisch nicht mehr gewachsen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 und jetzt die Pandemie zeigen nicht nur, wie prekär das auf Wachstum ausgerichtete Wirtschafts-Gebäude heute ist. Aber auch weltweit gehen die Wachstumsraten seit Jahrzehnten zurück. Aktuell rechnet der internationale Währungsfonds für 2020 mit unter 5 Prozent. In den letzten Jahren waren es (vom Krisenjahr 2020 einmal abgesehen) eher um die 3 Prozent und für die nächsten Jahrzehnte werden sich nach aktuellen Studien wohl eher noch weniger ausgehen. Das hat neben ökonomische auch mathematische Gründe. Wirtschaft wächst – wenn überhaupt eher linear als exponentiell. Das heißt, dass in jedem Jahr etwa um die gleiche Summe mehr produziert und konsumiert, also Einkommen geschaffen wird. Je größer der „Kuchen“ (also das Bruttoninlandsprodukt: BIP) wird, desto kleiner ist der Zuwachs in Prozent, auch wenn er immer um den gleichen Betrag weiterwächst.

Nachhaltigkeitsziele

Dem Ziel, der Erderhitzung Einhalt zu gebieten, verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft 20 Jahre nach der Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ anlässlich der ersten Nachhaltigkeitskonferenz 1992 in Rio de Janeiro. Die „Agenda 21“ von Rio war eigentlich ein Kompromiss zwischen Wachstum und Entwicklung, die schon der „Brundtland Report“ 5 Jahre vorher vorgegeben hatte, die Reduktionsziele für Treibhausgase entsprechend vage. Erst 2005 – in Kyoto – wurden konkrete Ziele vereinbart. Fünf Prozent! Österreich gehörte damals unter Umweltminister Bartenstein zu den VorreiterInnen. Erst weitere 10 Jahre später, einigte sich die Weltgemeinschaft auf die Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich „unter 2 Grad“ und der Weltklimarat berechnete, was das bedeutet: eine Reduktion der Treibhausgase um mehr als 90 Prozent in 20 bis 30 Jahren! Muss das nicht das Wachstum erst recht abwürgen – und damit Arbeitsplätze, Pensionen und Umverteilung gefährden?

Transformation

Wie gesagt: das Gegenteil ist der Fall. Österreichische und internationale Studien zeigen immer wieder: die dafür nötige Umsteuerung der Wirtschaft im Sinne eines Wandels des gesamten Energiesystems (“Energiewende”), einer dematerialisierte Kreislaufwirtschaft (“Ressourcenwende”), weniger Fleischkonsum und Lebensmittelabfälle (“Ernährungswende”) und neue Lebens- und Konsumstile (“Lebensstilwende”) ist eigentlich die letzte Chance für die Wirtschaft, den „Grenzen des Wachstums“ zu entkommen – und gleichzeitig ein gutes Leben zu ermöglichen. Und die Investitions-Programme zur Wieder-Ankurbelung der Wirtschaft nach Covid-19 ermöglichen auch die dafür erforderliche Finanzierung. 10 Milliarden Euro pro Jahr wurden 2020 für ein solches Wirtschaftsprogramm als notwendig geschätzt. Ebenso wichtig ist aber auch der Umbau des Steuersystems. 300 Euro pro Tonne CO2 wären dafür laut Studien des WIFO und anderer Institute nötig. Also mehr als fünfmal so viel wie derzeit von der Bundesregierung geplant. Erst dann entsteht jener Anreiz zum grundsätzlichen Umbau der Wirtschaft, der auch die europäische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen würde und so Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

sozial & ökologisch

Sollte das alles nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit langfristig auf einem geringen Niveau zu stabilisieren, wäre Arbeitszeitverkürzung ein probates Mittel, um der mit der Produktivitätserhöhung einhergehenden Arbeitsplatzvernichtung Einhalt zu gebieten – und gleichzeitig die Lebensqualität zu erhöhen. Um diese Prozesse nicht nur anzustoßen, sondern langfristig wirksam werden zu lassen, braucht es ein entsprechendes Monitoring-System jenseits des BIP („beyond GDP“), das nicht nur zeigt, wie sich das Einkommen, sondern auch, wie sich die Lebensqualität entwickelt. Die globalen Entwicklungsziele der UNO („SDGs“) geben dazu einen geeigneten Rahmen ab: von Armut bis Weltfrieden, von Gesundheit und Bildung bis zum Schutz von Ökosystemen und Leben im Meer.

 

 

 

Friedrich Hinterberger arbeitet als Volkswirt an der Universität für Angewandte Kunst in Wien am SDG 8 („Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“). Er ist Vizepräsident und Generalsekretär des Austrian Chapter des Club of Rome und engagiert sich als Scientist 4 Future. Seine Kerngebiete sind: Ökologische Ökonomie und Szenarien für eine lebenswerte Zukunft.

Material zum Vortrag gibt es hier: http://fritz.hinterberger.com/bsa-2021/

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