„Einen Automatismus zur Frauen-Solidarität gibt es nicht"

Von sanktionierbaren Frauenquoten bis zu männlichen Moderatoren – Landesrätin Birgit Gerstorfer und Linzer Vizebürgermeisterin Karin Hörzing im Interview mit dem BSA OÖ über persönliche und politische Einschätzungen der Frauenpolitik.

Birgit, du warst eine Zeit lang die einzige Frau in der oberösterreichischen Landesregierung. Hast du diese Sonderrolle in deiner Arbeit gespürt?

Birgit Gerstorfer: Natürlich hat man als einzige Frau in der Landesregierung eine besondere Verantwortung. Diese Verantwortung anzunehmen ist mir insofern leichtgefallen, weil die Frauenpolitik mich bereits mein ganzes Berufsleben lang begleitet. Was mich ebenfalls begleitet ist leider auch die Tatsache, dass ranghohe Gremien meist von Männern dominiert werden. Aber mit dieser Erfahrung hat mich zumindest die erste Regierungssitzung nicht sonderlich überrascht.

Karin, hast du in deiner Arbeit jemals deine Rolle als „Frau in der Spitzenpolitik“ zu spüren bekommen?

Karin Hörzing: Ja, aber davon habe ich mich nie beirren lassen, sondern es oftmals auch als Ansporn genommen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Frauen in der Politik noch um einiges kritischer beobachtet werden. Das beeindruckt mich aber nicht.

Gibt es in gewissen frauenpolitischen Agenden einen Schulterschluss über Partei- oder Ideologiegrenzen hinweg?

Birgit Gerstorfer: Einen Automatismus zur Frauen-Solidarität gibt es nicht. Was es gibt ist der persönliche Erfahrungsschatz, den Frauen in der Politik mitbringen. Darauf lässt sich punktuell aufbauen. Ich habe in meiner Funktion als Frauen-Landesrätin eine parteiübergreifende Frauenstrategie 2030 angestoßen, die in einem breiten Beteiligungsprozess von und für Frauen in Oberösterreich erarbeitet wurde. Es ist bei allen politischen Unterschieden ein gutes Signal, wenn es gelingt, diese Strategie über die Parteigrenzen hinweg zu beschließen und damit die Politik in Oberösterreich zu ganz konkreten Maßnahmen zu verpflichten.

Karin Hörzing: Schwieriger ist es, ideologische Grenzen zu überwinden, vor allem wenn das Frauenbild in zwei komplett verschiedene Richtungen geht. Das merkt man aktuell besonders bei der Debatte um die Kinderbetreuung.

2018 jährt sich die Einführung des Frauenwahlrechtes in Österreich zum 100. Mal – und noch immer warten wir auf die erste weibliche Bundeskanzlerin.

Birgit Gerstorfer: Diese hohen politischen Ämter sind die Spitze des Eisbergs. Mit Stichtag Februar 2018 gab es nur 7 % Bürgermeisterinnen in Oberösterreich. In den Gemeinderäten gibt es eine Frauenquote von 27 Prozent. Nach gut zwei Jahrzehnten als Führungskraft sage ich ganz klar: Natürlich braucht es Maßnahmen zur Vereinbarkeit, natürlich müssen die Leistungen von Frauen sichtbarer gemacht werden. Aber am Ende braucht es eine sanktionierbare Quote, sonst lassen sich manche Machtstrukturen und Netzwerke nicht aufbrechen.

Karin Hörzing: Blickt man auf die Geschichte zurück, entsteht der Eindruck, dass wir in der Frauenförderung immer zwei Schritte vorwärts gehen und dann wieder einen Schritt rückwärts gestoßen werden. Es herrscht in Österreich traditionell eine konservative Mehrheit in der Politik. Wenn diese Parteien Regierungsverantwortung bekommen, haben fortschrittliche, sozialdemokratische Frauenagenden erstmals „Zwangspause“, werden blockiert, sogar zurückgedrängt.

Statt mehr Frauen sitzen mittlerweile mehr Burschenschafter im Parlament und statt einem Ausbau der für Frauen wichtigen Kinderbetreuung führt die Schwarz-Blaue Landesregierung eine Kindergartensteuer ein. Was kann ein politisches Gegenmittel sein?

Karin Hörzing: Viele sogenannte „Frauenthemen“, wie beispielsweise Kinderbetreuung oder Frauen in Spitzenpositionen, sind gesellschaftspolitische Themen und müssen denselben Stellenwert – auch in der internen Diskussion – haben, wie etwa Wirtschafts- oder Arbeitsmarktthemen. Daher müssen negative Entwicklungen aufgezeigt und auch Gegenstrategien entwickelt werden.  Als Beispiel nenne ich das „Linzer Modell“ bei der Nachmittagsbetreuung, die einkommensschwache Familien und sogenannte Mittelstandsfamilien im Gegensatz zum „Landestarif“ wesentlich entlastet. Im Vergleich zu vielen anderen Städten und Gemeinden gibt es nur wenige Abmeldungen in diesem wichtigen Bildungssegment.

Birgit Gerstorfer: Die neue ÖVP-Frauenlandesrätin hat in der Frage der Kinderbetreuung tatsächlich eine Bankrotterklärung abgegeben, das habe ich in dieser Form eigentlich nicht für möglich gehalten. Ich begrüße das „Linzer Modell“ und werde jedenfalls alles daran setzen, diese unsinnige Steuer auf Landesebene rückgängig zu machen. Das vernichtende Urteil aus weiten Teilen der Bevölkerung bestärkt mich darin.

Was muss passieren, damit Frauen in der Politik sichtbarer werden? Habt ihr Ratschläge?

Karin Hörzing: Frauen in der Politik müssen als Expertinnen gesehen werden und ihr Fachwissen einbringen können. Es reicht nicht, wenn bei politischen Debatten fünf Männer diskutieren und dafür – sozusagen, damit das Bild passt – eine Frau die Rolle der Moderation übernimmt. Spannend wäre eine Diskussionsrunde mit fünf Frauen, die von einem Mann moderiert wird...

Birgit Gerstorfer: Die oberste Prämisse ist es, mutig zu sein und sich für Führungspositionen zu bewerben. Frauen sind da oft deutlich selbstkritischer als ihre männlichen Mitbewerber. Gleichzeitig ist die Fachlichkeit natürlich ein wichtiges Kriterium, gerade bei uns Frauen, da uns manchmal einfach weniger zugetraut wird.

Karin Hörzing: Auf Themengebiete spezialisieren und Expertin darin werden. Netzwerke bilden und sich trauen, diese auch zu nutzen. Ziele entwickeln, diese kommunizieren und dann auch dran bleiben! 

Bild: Land OÖ / Stinglmayr

zurück